Was ist Krebs?
Eine Krebsdiagnose oder auch nur der Verdacht darauf ist meist ein Schock. Gleichzeitig ist es der Beginn einer langen Reihe unterschiedlichster Untersuchungen im Laufe der einsetzenden Therapie. Parallel dazu beginnt aber auch für viele eine intensive Beschäftigung mit all den plötzlich vorhandenen Fragen. Aber besonders jetzt gilt es, einen kühlen Kopf zu bewahren, um gemeinsam mit den Ärzten die richtigen Therapieentscheidungen zu treffen.
Es beginnt mit der Zellteilung
Es gibt irrsinnig viele verschiedene Krebsarten, was es so schwierig macht, “die eine Therapie” zu entwickeln. Und das ist auch der Grund, warum eine ausgiebige Diagnostik am Anfang sehr wichtig ist.
Allen Krebszellen gemein ist eine gestörte Zellteilung (Proliferation) und Fehler im Suizid-Programm der Zellen (Apoptose). Zellen teilen sich in einem bestimmten Rhythmus, um sich zu erneuern, kleine Defekte zu schließen oder um zum Beispiel einfach neue Blutzellen zu bilden, weil die Lebensdauer einzelner Zellen immer begrenzt ist. Proliferation ist also ein ganz natürlicher Vorgang, den fast alle Zellen im Körper durchführen können. Wenn aus irgendeinem Grund diese Zellteilung aber unkontrolliert und unabhängig von einem Bedarf an neuen Zellen stattfindet, wuchern diese Zellen und bilden Tumore. Ein Sicherheitsprogramm – die Apoptose soll solche Ereignisse verhindern, indem Zellen, die entarten, sich selbst den Befehl zum Selbstmord geben und so sterben. Bei Krebszellen funktioniert auch dieses Zellprogramm leider nicht mehr.
Unter Tumor verstehen wir also eine Neubildung (Neoplasie) im Gewebe, weil bestimmte Schutzmechanismen in Bezug auf Wachstum, Teilung und Tod der Zellen nicht mehr funktionieren.
Was sind die Merkmale von Krebs?
1. Keine Apoptose
Krebszellen führen keinen gesteuerten „Selbstmord“ mehr durch. Gesunde Körperzellen tun dies, sobald es einen Fehler im System gibt. Chemotherapeutika greifen hier ein und vernichten Krebszellen.
2. Unkontrolliertes Zellwachstum
Krebszellen machen sich unabhängig von körpereigener Wachstumsregulation. Entweder können Wachstumshemmer nicht mehr wirken oder die Krebszellen haben viel mehr Wachstumsfaktor-Rezeptoren auf ihrer Oberfläche, so dass sie verstärkt Wachstumssignale empfangen können. So ein Rezeptor ist zum Beispiel Her2, welcher durch Antikörper wie Trastuzumab (Herceptin) blockiert werden kann. Dann wächst der Krebs langsamer oder gar nicht mehr.
3. Angiogenese
Krebstumore brauchen aufgrund ihres starken Wachstums viel Energie, also eine gute Durchblutung. Das Auswachsen neuer Blutgefässe heisst Angiogenese. Medikamente wie Lenvatinib oder Antikörper wie Bevacizumab verhindern dieses Blutgefässwachstum. Der Tumor wird nicht mehr ausreichend mit Nährstoffen versorgt und kann nicht mehr wachsen.
4. Immunsystem erkennt Krebszellen nicht mehr
Krebszellen können sich vor dem Immunsystem tarnen. Immunzellen wie die spezifischen T-Zellen erkennen die Krebszelle nicht mehr als entartete Zelle. Neue Immuntherapien mit Checkpoint-Inhibitoren greifen hier an und heben diese Tarnung auf. Pembrolizumab und Atezolizumab sind Vertreter dieser Antikörper.
5. Invasion und Metastasenbildung
Das wohl gefährlichste am Krebs ist sein invasives Wachstum in andere Körperstrukturen und die Eigenschaft einiger Krebszellen zu metastasieren und so in anderen Organen anzusiedeln. Hier findet sehr viel Forschung statt, um dies mit neuen Medikamenten zu verhindern. Diese Medikamente sollen wie eine Art Leim funktionieren und so die Beweglichkeit von Krebszellen einschränken.
Diese Veränderungen in der Zellbiologie geschieht tagtäglich in unserem Körper. Das liegt daran, dass ständig neue Zellen gebildet werden müssen und dabei Fehler geschehen. Das ist das Gleiche wie in einer großen Fabrik: je mehr Geräte hergestellt werden, umso mehr Geräte haben einen Herstellungsfehler (denkt an die ganzen Rückrufaktionen in den Medien!). In unserem Körper kommt jetzt unser Immunsystem ins Spiel. Das erkennt nämlich entartete Zellen und beseitigt diese. Wenn wir Krebs bekommen, hat dieser Mechanismus also versagt.
Tumoreigenschaften
Krebszellen entwickeln ganz spezifische Eigenschaften und die einzelnen Krebsarten unterscheiden sich teilweise erheblich untereinander. Das kann man mit uns Menschen vergleichen. Der eine trägt eine Brille und Bart, ein anderer nur Bart und wieder ein anderer Mensch trägt zu seiner Brille ganz viel Schmuck.
Bei Zellen heissen solche merkmale Oberflächenmoleküle. Eine genaue Diagnostik dieser “Marker” ist oftmals wichtig, um gezielte Therapien einsetzen zu können. Ein Mensch ohne Bart kann mit einem Rasierer nicht viel anfangen. Krebs ohne HER2 (einem Rezeptor, der zum Beispiel bei Brustkrebs eine Rolle spielt) kann nicht durch HER2-Antikörper beeinflusst werden.
Die Therapie wird also auf Grundlage der genauen Diagnostik geplant. Leider können sich die Tumoreigenschaften aber auch im Laufe der Therapie oder des Fortschreitens der Erkrankung ändern, so dass oftmals eine Therapieanpassung vorgenommen werden muss. Auch zeigen Metastasen oftmals andere Merkmale als der Ursprungstumor. Das sollte dich nie verunsichern, denn es zeigt, dass die Ärzte ihre Arbeit ernst nehmen und immer die beste Therapie suchen.
Diagnose
Die Diagnostik einer Krebserkrankung ist ein komplexer Prozess. Entsprechend gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Diagnoseverfahren, die bei der Erkennung aber auch bei der begleitenden Kontrolle des im Laufe der Erkrankung eingesetzt werden. Lies hier mehr über den Ablauf der Diagnose und den dabei verwendeten Verfahren.