Krebs Aktuell | 26. Januar 2025

Krebs und das liebe Geld

Hast du schon einmal mitten in einer schmerzhaften Krebstherapie nachts wachgelegen und dir ernsthaft Sorgengemacht, wie du nächste Woche deine Miete bezahlen sollst?

Ich kenne dieses Gefühl nur zu gut. Als ich selbst erkrankte, war ich wissenschaftliche Angestellte mit befristetem Vertrag – frisch Mutter, mit großen Plänen im Kopf. Plötzlich stand ich nach der Diagnose ohne Job und damit ohne Einkommen da. Existenzangst und Todesangst gingen Hand in Hand.

Von der Wissenschaftlerin zur Reinigungskraft

In meiner Verzweiflung schrieb ich eine Bewerbung nach der anderen, aber niemand stellte mich ein. Also lebte ich von Arbeitslosengeld, hatte Schulden aus einer gescheiterten Beziehung und konnte nachts kaum noch schlafen – immer die bange Frage im Hinterkopf: „Werde ich das jemals zurückzahlen können, bevor ich sterbe?“ Der Schuldenberg wuchs auf 10.000 Euro, und ich schämte mich unendlich.

Um überhaupt etwas zu verdienen, nahm ich einen Job als Reinigungskraft in einer Jugendherberge an und putzte zwischen meinen Therapien Toiletten. Das war kein Abstieg für meinen Selbstwert, aber finanziell ein Desaster, denn mein Gehalt lag sogar unter dem ALG-II-Satz.

Glück im Unglück und der nächste Dämpfer

Irgendwann hatte ich dann dieses sprichwörtliche Glück: Eine Stelle als Lehrerin für Pflegefachkräfte und dazu ein Masterstudium Medizinpädagogik. Drei Jahre später war ich schuldenfrei, Teil eines tollen Teams – und doch kam der nächste Rückschlag. Mit metastasiertem Krebs war ich für viele „keine sicherere Kandidatin“ für Leitungsaufgaben.

Doch dann lernte ich Sebastian kennen, zog in eine andere Stadt und wechselte die Arbeitsstelle. Es war erneut ein Glücksgriff mit verständnisvollen Kolleg:innen. Trotzdem hatte ich letztes Jahr den Mut (oder war es Verrücktheit?), zu kündigen und mich ganz dem Krebs Campus zu widmen. Klar, die finanzielle Unsicherheit bleibt. Aber ich habe eine große Vision: Niemand soll erst bei 10.000 Euro Schulden landen, bevor echte Hilfe greifbar wird.

Warum sind Geldsorgen bei Krebs so existenziell?

  • Zusatzausgaben: Kosten für Medikamente, Taxifahrten zur Therapie, Haushaltshilfen.

  • Lohnfortzahlung & Krankengeld: Nach 6 Wochen Lohnfortzahlung kommen 78 Wochen Krankengeld, dann drohen Arbeitslosengeld oder frühzeitige Rente.

  • Erhöhte Armut: Jede:r Fünfte schafft laut Studien den Wiedereinstieg ins Berufsleben nicht, mit metastasiertem Krebs ist es oft noch schwieriger. Das führt schnell an die finanzielle Belastungsgrenze.

Wenn Geldsorgen und Todesangst zusammenkommen, bleibt oft nur Verzweiflung und Scham. Aber das sollte und muss auch nicht sein.

Ein paar Tipps, die sofort helfen können

  • Tipp 1: Melde dich frühzeitig bei einem Sozialdienst im Krankenhaus oder einer Krebsberatungsstelle. Sie kennen oft Unterstützungswege oder spezielle Fonds, von denen viele nichts wissen.

  • Tipp 2: Informiere dich rechtzeitig über Krankengeld, Erwerbsminderungsrente und andere Leistungen. Je eher du Bescheid weißt, desto schneller kannst du reagieren.

  • Tipp 3: Scheue dich nicht davor, mit deiner Bank oder anderen Gläubigern zu sprechen. Einige bieten Stundungen oder Ratenvereinbarungen für Menschen in Notlagen an. Ich habe viel zu lange gebraucht, eh ich den Mut hatte, mit meiner Bank zu sprechen.

Appell an Unternehmen und Institutionen

Wenn du selbst Chef oder Chefin bist, oder in einer Behörde, einem Krankenhaus oder einer anderen Organisation Verantwortung trägst: Öffne deine Türen für Menschen mit Krebs. Die Diagnose sagt nichts über unsere Leistungsfähigkeit in guten Phasen – und selbst wenn wir mehr Krankheitstage haben, kann das, was wir leisten, oft überdurchschnittlich sein.

  • Schaffe flexible Arbeitszeitmodelle und Möglichkeiten zum Homeoffice.

  • Biete feste Ansprechpartner:innen für betroffene Mitarbeiter:innen an.

  • Erlaube Pausen für Therapien oder Erholungsphasen – ohne Stigma.

Wir wollen arbeiten, wir wollen wirken und gestalten – und wir verdienen dafür eine angemessene Bezahlung.

Wenn du unsere Expertise für Vorträge oder Forschungsprojekte einbindest, dann bezahle das auch. Immer noch wird zu oft von uns verlangt, dass wir unser Wissen und unsere Erfahrung ehrenamtlich zur Verfügung stellen. Wir sind Menschen, für die Zeit kostbar und finanzielle Sorgen präsent sind. Wenn unsere Expertise verlangt wird, sollten wir auch als Expert:innen wahrgenommen und behandelt werden.

Hilfe im Krebs Campus

Oft gibt es gute Beratungsangebote vor Ort und auch online, nur wissen Betroffene nichts davon. Im Krebs Campus bündeln wir auch diese Informationen und Hilfsangebote, damit du nicht länger im Informationsdschungel untergehst.

  • Wir haben gemeinsam mit Tobias den Kurs “Finanzielle Unterstützung bei Krebs” mit einem umfangreichen Workbook und erklärenden Videos entwickelt.

  • Im Workbook des Kurses findest du zu allen Themen, Unterstützungsmöglichkeiten und Sozialleistungen übersichtliche Informationen, Links und einen Fahrplan, wie du vorgehen kannst.

  • In den Videos zeigt dir Tobias an 5 Fallbeispielen, welche Unterstützung du wann und wo beantragen kannst.

  • In unserer Community auf Discord findest du im Kanal “Bürokratie” ein Forum, in dem du dich mit anderen Betroffenen austauschen und Fragen zu sozialrechtlichen Themen oder der Arbeitswelt stellen kannst.

  • Am Donnerstag um 12 Uhr wird dir Tobias im Seminar “Geld &

    Bürokratie” auf Discord all deine Frage beantworten.

Du musst das nicht alleine schaffen, auch hier wollen wir dir im Krebs Campus zur Seite stehen. Die Mitgliedschaft im Krebs Campus für all unsere Angebote kostet 18 Euro im Monat. Dennoch ist das für manche Betroffenen viel Geld. Wir arbeiten an Förderungen und Kooperationen, damit niemand von der Mitgliedschaft ausgeschlossen wird. Für alle, die unsere Vision gut finden und uns unterstützen möchten, bieten wir auch eine passive Mitgliedschaft an.

Zusammen Großes bewirken

Finanzielle Sicherheit ist für viele von uns überlebenswichtig. Die Angst vor Schulden, das Gefühl, nicht gebraucht oder anerkannt zu sein, nimmt uns Kraft – Kraft, die wir eigentlich für unsere Genesung benötigen.

Stell dir vor, wir hätten flächendeckende Sozialdienste, Krebslots:innen und Arbeitgeber:innen, die Betroffene ab Diagnose an die Hand nehmen: Kein undurchsichtiger Informations-Dschungel mehr, sondern klare, verlässliche Hilfswege.

So müssten Menschen mit Krebs weder an existenziellen Sorgen zerbrechen noch ihre Kompetenzen brachliegen lassen. Krebs ist hart genug – wir sollten nicht auch noch wirtschaftlich ins Bodenlose stürzen müssen, während wir ohnehin um unser Leben kämpfen.

Herzlich,
deine Babett

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