Krebs Aktuell | 20. Oktober 2024

Lasst uns den Platz einnehmen, der uns zusteht!

Die letzten Tage waren für mich besonders intensiv und inspirierend. Am Mittwoch durfte ich bei einem parlamentarischen Frühstück in Berlin unsere Sicht als Patient:innen zum Thema Früherkennungsmaßnahmen und Versorgungsstrukturen im deutschen Gesundheitswesen am Beispiel Leberkrebs einbringen. Zwei Tage später war ich beim Herbstforum zum Thema “Klinische Forschung – Wie Patienten und Patientinnen hierzulande profitieren und mitgestalten können”. Es war ein tiefgreifender Austausch zwischen pharmazeutischen Unternehmen, Ärzt:innen und uns Patient:innen – und wieder einmal wurde mir klar: Wir, als Patient:innen, dürfen nicht nur am Rand stehen und zusehen – wir müssen aktiv in die Forschung eingebunden werden!

Patientenbeteiligung in der klinischen Forschung: Wann, wie und warum?

Es gibt unzählige Phasen in der klinischen Forschung, in denen wir als Patientenexpert:innen eingebunden werden können – und sollten. Von der Studienplanung über die Durchführung bis hin zur Auswertung und Implementierung von Forschungsergebnissen: In jedem dieser Schritte ist unsere Perspektive unverzichtbar. Denn wer könnte besser beurteilen, wie wirksam eine Behandlung ist, als diejenigen, die sie tagtäglich erfahren?

Aber wann genau können wir uns einbringen?

  • In der Planungsphase: Hier können wir unsere Bedürfnisse klar benennen. Welche Symptome belasten uns am meisten? Welche Lebensqualität wünschen wir uns während und nach der Therapie? Patientenexpert:innen können hier mitbestimmen, welche Fragestellungen in Studien wirklich relevant sind. Und sie können das Studienprotokoll mitgestalten. Sind 4 Biopsien während einer Studienteilnahme wirklich nötig oder reichen nicht auch zwei? Müssen teilnehmende Patient:innen wirklich alle 4 Wochen ins CT? Solche klein erscheinenden Änderungen sorgen für mehr Akzeptanz und Studienteilnahme durch uns Patient:innen.

  • Während der Durchführung: Gerade bei der Teilnahme an Studien ist unsere Rückmeldung entscheidend. Sind die Anforderungen der Studie im Alltag umsetzbar? Ist die Art und Häufigkeit der Medikamenteneinnahme mit dem Alltag vereinbar? Wie erleben wir die Nebenwirkungen? Würde die Applikationsart des Medikaments vielleicht die Therapietreue von uns Patient:innen erhöhen?

  • Bei der Auswertung: Nicht nur Statistiken zählen! Unsere Erfahrungsberichte helfen, die Ergebnisse im Kontext des wirklichen Lebens zu interpretieren. Unsere Erfahrungen sind lebensnah und in einer rein statistischen Auswertung nicht vollständig abbildbar.

  • Bei der Implementierung: Wir müssen mitbestimmen, wie neue Forschungsergebnisse in die Praxis umgesetzt werden, um sicherzustellen, dass sie auch tatsächlich uns, den Patient:innen, zugutekommen. Zusätzlich sind wir es, die andere Betroffene aufklären und schulen. Wir schaffen durch die Einbeziehung in die Forschung einen Prozess der Kommunikation und des Vertrauensaufbaus.

Vertrauen in unsere Therapien ist sehr wichtig. Nur wenn wir Patient:innen verstehen, was mit uns passiert, welche vielen Schritte ein Medikament in der Entwicklung gehen muss und wie komplex klinische Studien eigentlich sind, nur dann sind wir geschützt vor Falschinformationen, Mythen und dem Versuch, Angst zu schüren. Und nur dann können wir wirklich fundierte Therapieentscheidungen treffen.

Gut ausgebildete Patientenexpert:innen: Mehr als nur Ehrenamtliche

Für all diese Phasen braucht es jedoch gut ausgebildete Patientenexpert:innen. Menschen, die sowohl die Sprache der Wissenschaft als auch die Sprache der Patientenwelt sprechen können. Für Schulungen müssen Entscheider aus Industrie und Politik Geld in die Hand nehmen. Unsere Teilnahme an Diskussionsrunden muss finanziert werden. Die Zeit, die wir zusammen mit unserer Expertise bereitstellen, muss gewürdigt werden. Und hier liegt das Problem: Noch immer wird unser Beitrag zu oft als ehrenamtliche Unterstützung gesehen, als wäre unsere Expertise ein „nice to have“ und nicht ein essenzieller Bestandteil der Forschung.

Das muss sich ändern! Wenn wir auf Augenhöhe mit anderen Expert:innen im Gesundheitswesen agieren wollen, dann müssen wir auch als solche anerkannt werden – nicht nur ideell, sondern auch materiell. Wir investieren Zeit, Energie und Wissen, und das sollte entsprechend honoriert werden.

Unabhängige Patientenorganisation als Lösung

Genau hier setzt der Krebs Campus an. Als unabhängige Patientenorganisation setzen wir uns für fundierte Wissensvermittlung ein. Bei uns im Campus werden interessierte Patient:innen zu Expert:innen ihrer Erkrankung. Dabei legen wir besonderen Wert auf Empowerment, digitale Gesundheitskompetenz und Selbstmanagement.

Doch warum ist es so wichtig, dass der Krebs Campus unabhängig bleibt? Weil wir nur so sicherstellen können, dass wir frei von Interessenkonflikten agieren. Unser Ziel ist es, als gleichwertiger Partner in den Dialog mit der Industrie, der Forschung und der Politik zu treten. Das schaffen wir nur, wenn wir finanziell nicht von externen Interessengruppen abhängig sind. Deshalb haben wir ein für diesen Bereich eher ungewöhnliches Finanzierungskonzept gewählt: Eine Organisation, die sich überwiegend aus ihren eigenen Mitgliedern – den Patient:innen und ihren Angehörigen – trägt.

Dein Beitrag zählt

Damit dieses Konzept langfristig tragfähig ist, brauchen wir genügend Unterstützer:innen, die uns durch eine Mitgliedschaft (egal ob passiv oder aktiv) helfen. Denn nur wenn wir auf einem stabilen finanziellen Fundament stehen, können wir langfristig als Patient:innen mitreden und Entscheidungen, die uns betreffen, aktiv mitgestalten. Noch tragen wir uns nicht alleine. Denn das Erstellen von Lernmaterialien, die Begleitung unserer Mitglieder oder die Präsenz auf wichtigen Veranstaltungen wie in dieser Woche, erfordern es, dass wir uns in Vollzeit ausschließlich unserer Arbeit im Krebs Campus widmen. Deshalb sind wir zur Zeit für unseren Lebensunterhalt auf die großartige finanzielle Unterstützung unserer Familie angewiesen. Auf Dauer ist das aber leider nicht möglich. Eine Patientenorganisation braucht viele Unterstützer:innen, die das Fundament bauen: Du möchtest auch ein Teil dieser Vision sein? Werde Mitglied im Krebs Campus!

Die Gespräche der letzten Woche haben gezeigt, wie wichtig es ist, dass wir Patient:innen nicht nur gehört, sondern auch ernst genommen werden. Beim Herbstforum hieß es treffend: „Wir müssen gemeinsam aus dem Problemraum in den Lösungsraum treten!“ (Krebskriegerin Susanna) Das können wir aber nur, wenn wir ausreichend informiert und befähigt werden, aktiv an diesen Lösungen mitzuarbeiten. Und dafür brauchen wir nicht nur dich als Betroffene:r, sondern auch die breite Unterstützung der Gesellschaft.

Es ist an der Zeit, dass wir als Patient:innen endlich den Platz einnehmen, der uns zusteht – als gleichwertige Expert:innen in der Forschung und Gesundheitsversorgung.

In diesem Sinne wünsche ich dir eine kraftvolle Woche und freue mich auf deine Gedanken und Anregungen.

Deine Babett

P.S.
Das sind wir! Auf dieser Seite kommen einige unserer Mitglieder zu Wort und erzählen, was der Krebs Campus und der Austausch für sie bedeutet.

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