Krebs Aktuell | 17. November 2024
Verlorene Lebenszeit
Diese Woche möchte ich über ein Thema sprechen, das uns alle betrifft: Wartezeiten. Wie du sicherlich mitbekommen hast, habe ich vor einer Woche meine Brachytherapie gut überstanden. Im Anschluss an solche Strahlentherapien gibt es mehrere Nachsorgetermine. Mein erster Termin war dann diesen Freitag um 11:45 Uhr. Ich hatte einen Auftrag als Honorardozentin für die Fachweiterbildung Intensivpflege und dieser Unterricht startete 13:30 Uhr. Genug Puffer – dachte ich. Du ahnst, was jetzt kommt? Ich saß um 12:45 Uhr immer noch im Wartezimmer. Meine Nervosität nahm zu, meine schlechte Laune auch…
Ich weiss, so geht es den meisten von uns und jeder kennt den Satz: “Bringen Sie bitte Zeit mit!” Aber Zeit ist so eine Sache, wenn man metastasiert ist. Unsere Uhren ticken gefühlt schneller. Unsere Lebenszeit ist höchstwahrscheinlich reduziert. Sie ist mir einfach zu schade, um in diversen Wartezimmern dieser Welt zu sitzen. Es ärgert mich, dass wir Patient:innen immer mit so langen Wartezeiten rechnen müssen und dass mit unserer ohnehin schon kostbaren Zeit so frevelhaft umgegangen wird.
Diese Wartezeiten sind lästig und stressig. Studien zeigen, dass bis zu 60% von uns Krebspatient:innen eh schon unter einer hohen psychischen Belastung leiden, und diese Wartesituationen können das noch verstärken. Fast die Hälfte von uns berichtet von starken Ängsten. Du weißt, wie das ist, wenn man im Wartezimmer sitzt und grübelt?
Was das ständige Warten mit uns macht
- Erhöhter Stress und Angstgefühle
Die Ungewissheit kann unsere psychische Belastung massiv steigern. - Frustration und Stimmungsschwankungen
Das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden, kann unsere Stimmung beeinträchtigen. - Verlust wertvoller Zeit
Zeit, die wir mit unseren Lieben verbringen könnten, geht verloren. - Beeinträchtigung des Alltags und der Arbeit
Termine verschieben sich, Pläne müssen geändert werden.
Und Wartezimmer sind ja nicht die einzigen Orte, wo wir Patient:innen im Wartemodus verharren. Unser Krebsleben besteht ständig aus Wartezeiten. Wir warten auf Arztbefunde, auf Therapiepläne, darauf, dass das Tumorboard eine neue Therapie empfiehlt, dass eine neue Therapie startet und ob sie anschlägt. Es ist wie ein endloser Kreislauf des Wartens. Aber ich will nicht warten, ich will leben!
Und deswegen denke ich immer wieder über Methoden nach, wie ich mir meine Wartezeit irgendwie sinnvoll gestalten kann und setze diese für mich regelmäßig um. Es klappt nicht immer, wie dieser Freitag zeigt. Aber es klappt immer besser. Hier sind einige Strategien, die ich persönlich hilfreich finde und die durch Forschung unterstützt werden:
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Aktive Gestaltung der Wartezeit
Nimm etwas mit, das dir Freude bereitet und dich ablenkt. Ob ein gutes Buch, Musik, ein Podcast oder was zum Stricken – Beschäftigung kann Wunder wirken. Ich höre zum Beispiel immer Podcasts, für die mir im Alltag die Zeit fehlt. Das sind meistens Wissens-Podcasts, so dass ich das Gefühl habe, dass ich zumindest schlauer werde beim Warten. -
Soziale Unterstützung suchen
Warum reden wir eigentlich so selten miteinander, wenn wir warten? Fühlen wir uns nicht eh alle isoliert und manchmal ganz schön allein mit unserer Diagnose und in der Therapie? Im Wartezimmer sitzen so viele Menschen mit ähnlichen Gefühlen und Erfahrungen. Sprecht miteinander! Oft entstehen daraus wertvolle Gespräche und Verbindungen, die uns Kraft geben können. -
Offene Kommunikation mit dem medizinischen Personal
Scheue dich nicht, das Personal höflich auf die langen Wartezeiten anzusprechen. Manchmal gibt es organisatorische Gründe, die erklärt werden können. Offene Kommunikation kann Missverständnisse vermeiden und eventuell zu Verbesserungen führen. Ich habe tatsächlich einmal über 5 Stunden gewartet, weil ich einfach nicht ins System eingepflegt war. Seitdem frage ich spätestens nach einer Stunde höflich nach.
Gemeinsam für Veränderungen eintreten
Neben diesen individuellen Strategien können wir aber auch gemeinsam aktiv werden. Ich glaube, dass vielen Kliniken und Ärzten gar nicht bewusst ist, wie sehr uns Wartezeiten stressen. Wenn dieses Problem nicht angesprochen wird, kann sich nichts ändern. Deshalb hier noch ein paar Ideen, um strukturelle Veränderungen anzuregen.
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Feedback geben
Viele Kliniken und Praxen haben Feedback-Formulare oder Patientenvertretungen. Vielleicht helfen unsere Rückmeldungen, Abläufe zu optimieren. -
Patienteninitiativen unterstützen
Organisationen wie die Deutsche Krebshilfe oder wir mit dem Krebs Campus setzen sich für die Belange von Krebspatient:innen ein. Durch Engagement können wir dazu beitragen, dass Themen wie Wartezeiten mehr Aufmerksamkeit erhalten. -
Öffentlichkeit suchen
Artikel schreiben, Bloggen oder Erfahrungen auf Social Media teilen – je mehr wir auf unsere Situation aufmerksam machen, desto größer ist die Chance auf Veränderungen.
Wir sitzen alle im gleichen Boot und in den gleichen Wartezimmern. Lasst uns die Wartezeit nicht als verlorene Zeit sehen, sondern als Möglichkeit, uns selbst etwas Gutes zu tun und unsere Resilienz zu stärken.
Mit viel Liebe und Zuversicht,
deine Babett
P.S.
Neben all der Warterei sind wir im Campus nicht untätig. Hinter den Kulissen entstehen unsere nächsten Projekte. Und nächste Woche überraschen wir dich mit einem dieser Projekte. Also verpasse auf keinen Fall den nächsten Newsletter – wir arbeiten tagtäglich dafür, auch dein Leben ein klein wenig sonniger zu machen 😉
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