Krebs Aktuell | 12. Januar 2025

Warum wir handeln müssen

Vielleicht hast du es in den letzten Tagen auch gespürt: Da draußen tobt ein Sturm an Falschinformationen und politischen Schieflagen in den sozialen Medien. Wenn ich als Krebspatientin sehe, wie Elon Musk und Mark Zuckerberg ihre Plattformen für Desinformation und rechtsextreme Tendenzen öffnen, frage ich mich oft, wo das noch hinführen soll. Gerade wir, die wir täglich mit so vielen Sorgen und Ängsten leben, sind in besonderer Weise verwundbar. Jede Meldung über ein vermeintliches „Wundermittel“ kann neue Hoffnung wecken – oder uns in verzweifelte, gefährliche Experimente stürzen.

Ein Beispiel: Ivermectin und Fenbendazol

Gerade geht ein Video von Mel Gibson viral. Darin behauptet er, drei seiner Freunde seien mithilfe von Ivermectin und Fenbendazol von Krebs im fortgeschrittenen Stadium geheilt worden. Beide Stoffe sind Entwurmungsmittel – in erster Linie für Tiere.

  • Ivermectin wurde während der Corona-Pandemie schon einmal als vermeintliches Wunderpräparat gehypt. Tatsächlich zeigte es in Laborversuchen (in vitro) zwar Wirkung gegen Viren, doch klinische Studien widerlegten diesen Effekt am Menschen.
  • In den USA schossen daraufhin die Ivermectin-Rezepte um das 24-Fache in die Höhe. Gleichzeitig meldeten Giftinformationszentren einen drastischen Anstieg von Vergiftungsfällen: Menschen erlitten Verwirrung, Magen-Darm-Probleme, Schwindel, Hautausschläge, Krampfanfälle oder fielen sogar ins Koma. Viele landeten auf der Intensivstation.
  • Auch hier in Europa berichteten Ärzte und Apotheker von Engpässen, weil „alternative“ Kreise die Medikamente aufkauften, ohne Rücksicht auf mögliche Risiken.
  • Ivermectin wird tatsächlich an einigen Instituten als Krebsmedikament untersucht. Bisher zeigen aber nur präklinische Untersuchungen an Zellkulturen und Mäusen positive Ergebnisse. Bedenke bitte immer: Du bist keine Petrischale (Kulturschale für Zellen) und auch keine Maus! Ergebnisse aus Studien an Menschen fehlen.

Warum ist das so beängstigend? Weil Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit uns empfänglich machen für scheinbar einfache Lösungen. Und weil es nur noch wenige Klicks braucht, um an solch „alternative“ Mittel zu kommen. In den sozialen Medien ist es längst möglich, sich von selbsternannten Experten und fragwürdigen Influencern leiten zu lassen, die ihre dubiosen Heilversprechen propagieren. Wenn dann auch noch die etablierten Faktenchecks wegfallen, wird es für uns Betroffene nahezu unmöglich, seriöse von unseriösen Informationen zu unterscheiden – zumindest wenn wir nicht sehr gut geschult sind.

Medizinisches Personal hat kaum Zeit, jeden Betroffenen individuell zu beraten. Wenn Ärzt:innen und Pflegefachkräfte am Limit arbeiten, fehlen Ressourcen, um all diese Falschinformationen abzufangen.

Vielleicht hast du selbst schon erlebt, wie eine „heiße Info“ plötzlich dein ganzes Denken bestimmt hat – ob es um Krebs, Impfungen oder Corona ging. Ich kann das so gut verstehen! Wenn wir Angst haben, klammern wir uns an jeden Strohhalm. Gleichzeitig wissen wir doch: Nicht jeder Strohhalm ist tragfähig. Und genau deshalb müssen wir Betroffene uns gegenseitig beistehen, uns Wissen aneignen und es mit anderen teilen.

Was können wir tun?

  1. Gemeinsam eine sichere Anlaufstelle schaffen: Stell dir vor, wir hätten eine Plattform, auf der du erst mal ankommen darfst, bevor du dich in den Dschungel des Internets stürzt. Wo fundierte Informationen leicht zugänglich sind, wo du dich über komplementäre Angebote informieren kannst, ohne in die Fänge von Scharlatanen zu geraten. Das bauen wir gerade mit dem Krebs Campus auf.
  2. Aufklärung und Patientenedukation ernst nehmen: Ähnlich wie bei Diabetesschulungen könnten wir Lernstützpunkte für Krebspatient:innen entwickeln. Dort könnten Onkolog:innen, Pflegekräfte und Medizinpädagog:innen – also wirkliche Fachleute – (digitale) Gesundheitskompetenz vermitteln und zeigen, wie man Fake News erkennt. Wir können mit lokalen Schulen Projekte planen, um Gesundheitskompetenz schon frühstmöglich aufzubauen. Der Krebsinformationsdienst hat dazu schon wunderbare Vorarbeit geleistet.
  3. Aktiv in den sozialen Medien gegensteuern: Ich weiß, wir sind alle mit unserer Erkrankung und dem Alltag schon gut ausgelastet. Aber es hilft sehr, wenn du seriöse Posts und Videos über Krebs oder Medizin likest, teilst und kommentierst. Damit können wir die Algorithmen ein wenig lenken und fundierte Inhalte nach vorne bringen.
  4. Vernetzung und Zusammenarbeit: Weder einzelne Organisationen noch einzelne Personen können die Flut an Falschinformationen allein stemmen. Wir brauchen ein Netzwerk, in dem wir Wissen bündeln, Erfahrungen austauschen und Falschmeldungen gemeinsam entlarven. Jeder Falschinformation müssen wir eine geballte Ladung Fakten entgegensetzen. Nehmt Kontakt zu uns auf, wenn ihr diese Idee begrüßt und Ideen der Vernetzung und Bündelung von Synergien habt.

Warum wir nicht aufgeben dürfen

Gerade wir, die mit einer lebensbedrohlichen Krankheit umgehen müssen, haben ein Recht auf wahrheitsgemäße Informationen. Unser Leben hängt buchstäblich davon ab, welchen Therapien wir vertrauen und welchen Empfehlungen wir folgen. Darum ist es für mich so entscheidend, dass wir uns gegenseitig stützen, wachsam bleiben und an wirksamen Lösungen arbeiten. Wo Faktenchecks eingestellt werden, müssen wir selbst noch lauter die Wahrheit verbreiten.

Jeder von uns kann helfen, indem wir uns weiterbilden, seriöse Inhalte unterstützen und unseren Mitpatient:innen sagen: „Pass auf dich auf, lass dich nicht blenden.“ Gemeinsam schaffen wir einen Ort, an dem wir nicht nur Angst und Hoffnungslosigkeit begegnen, sondern auch echte Alternativen zu gefährlichen Falschnachrichten finden.

Mir ist klar, dass wir damit nicht über Nacht die digitale Welt retten werden. Aber wir sind viele – viel mehr, als wir manchmal glauben. Und wir alle haben ein Interesse daran, dass Menschen mit Krebs nicht durch Falschinformationen in noch größere Not geraten. Ich bin davon überzeugt, dass wir gemeinsam etwas bewegen können..

Ich danke dir dafür, dass du hier bist und dich mit mir auf diesen Weg begibst. Wir haben die Chance, die soziale Netzwerkwelt mitzugestalten – und die wollen wir uns nicht nehmen lassen. Wenn du Ideen, Fragen oder einfach Gedanken hast, die du teilen möchtest, melde dich gern. Zusammen sind wir stärker als jede Falschinformation.

Mit Mut und Zuversicht,
deine Babett

P.S.
Wenn du den ersten Workshop unserer Reihe zu komplementären Unterstützungsmöglichkeiten bei Krebs verpasst hast, kannst du ihn jetzt ganz einfach nachholen: Die Videos und das begleitenden PDF findest du auf unserer Webseite, sowie direkt in der Community. Wir werden alle Workshops im Nachgang als Videos zur Verfügung stellen. Oder du bist jeden zweiten Donnerstag 17 Uhr direkt live dabei. Den Link zur Anmeldung findest du ebenfalls auf Discord.

Krebs Aktuell

Stöbere durch alle bisherigen Beiträge von Krebs Aktuell.

Nichts verpassen

Erhalte zukünftige Beiträge von Krebs Aktuell jeden Sonntag 17 Uhr per E-Mail.

Krebs Campus

Wissen und Gemeinschaft: Entdecke den Krebs Campus.

Cookie Consent mit Real Cookie Banner